2032 – So arbeiten wir in Zukunft

Zukunftsforscher Tristan Horx im Interview

Mit Blick auf die heutige Arbeitswelt lassen sich zwei große Tendenzen beobachten, die unsere Arbeitsplätze, das Teamgefüge und die Art unserer Arbeit stark beeinflussen werden. Zum einen gewinnen künstliche Intelligenz (KI), maschinelles Lernen sowie eine fortschreitende Automatisierung an Bedeutung. Zum anderen werden Unternehmen in Zukunft verstärkt auf Homeoffice und externe Arbeitskräfte setzen. Die Arbeitswelt von heute wird es morgen so nicht mehr geben.

2032 – wie wird sich die Arbeitswelt in den nächsten zehn Jahren entwickeln?

 

TRISTAN HORX: Im deutschsprachigen Kulturraum entspricht der klassische Achtstundentag nach wie vor dem generationentradierten Standard, der sich aus dem Industriezeitalter heraus entwickelt hat. Als eine der ältesten Forderungen der Arbeiterbewegung bedeutete die Durchsetzung dieses genormten Werktags aus damaliger Sicht eine enorme Errungenschaft und extreme Verbesserung der Lebensverhältnisse. Aus heutiger Sicht weicht sich ein solch getakteter Arbeitstag zunehmend auf. Zuerst kam der Begriff der Work-Live-Balance auf – ein Zustand, in dem Arbeits- und Privatleben im Einklang stehen. Da frage ich mich unweigerlich: lebt man während der Arbeit nicht? Ich spreche lieber von einem Work-Life-Blending. COVID hat den Übergang zur Möglichkeit, vom Homeoffice aus zu arbeiten, rapide beschleunigt. Die eigene Zeit lässt sich so individueller einteilen und letztlich im eigenen Interesse optimal nutzen. So richtig funktioniert das System allerdings erst, wenn Leistung nicht mehr ausschließlich an der Arbeitszeit, sondern vielmehr an der Erledigung gewisser Aufgaben gemessen würde. Die zunehmende Automatisierung unterstützt diesen Prozess und wird endlich zu einer Verbesserung der Gesellschaft führen – und zwar unabhängig von der heutigen Sicht auf „Arbeit“. Grob gesagt gewinnt die Individualität in allen Bereichen. Der nächste Schritt könnten dann Workation oder Co-Workation sein. Bei diesen Modellen lassen sich Arbeit und Reisen verbinden – die endgültige globale Vernetzung sozusagen. Insgesamt stehen wir vor einem riesigen Lernprozess. Mit Hinblick auf gewisse Bereiche werden diese Konzepte nicht auf allen Ebenen funktionieren. Es handelt sich aber durchaus um einen Megatrend, der sich hier abzeichnet.

 

 

Was sind die Anforderungen an die Arbeitgeber der Arbeitswelt von morgen?

 

TRISTAN HORX: Neben einer sinnstiftenden und erfüllenden Arbeit wünschen sich die BerufseinsteigerInnen von heute maximale Flexibilität, Eigenverantwortung und individuell an die momentane Lebenssituation angepasste Arbeitszeitmodelle. Ich sehe eine faire Entlohnung außerdem als große Baustelle: unbezahlte Praktika und prekäre Arbeitsverhältnisse führen auf lange Sicht zu einer Aushöhlung des Systems. Wollen Unternehmen ihre besten MitarbeiterInnen in Zukunft halten oder gar erst gewinnen, müssen sie sich von hierarchischen, starren Strukturen trennen – oder damit leben, dass die Besten ihr Glück in der Selbständigkeit suchen werden.

 

 

Wie werden wir also mit dem Fachkräftemangel umgehen?

 

TRISTAN HORX: Der Mangel an qualifiziertem Personal ist sowohl den demografischen Entwicklungen geschuldet, als auch der Tatsache, dass wir in der Ausbildung stets hinterherhinken. Die AbsolventInnen von heute wurden sozusagen im Gestern ausgebildet – ein Problem unseres trägen Ausbildungssystems. Fakt ist, dass sich der Arbeitsmarkt eindeutig weitaus schneller weiterentwickelt, als wir mit dem Bereitstellen von Fachkräften hinterherkommen. Das ist an und für sich kein Problem, wenn wir bedenken, dass unser Lernen ohnehin lebenslang kontinuierlich fortgeführt werden sollte. In diesem Sinne muss sich bei den Unternehmen zuallererst eine gewisse Vertrauenskultur etablieren. Wie im angloamerikanischen Raum seit Jahrzehnten vorgelebt: Scheitern muss möglich sein. Der Chef wird infolge zum Coach, der seine MitarbeiterInnen motiviert und leitet. Wir müssen es schaffen, uns von dem ultimativen Kontrollzwang zu befreien und Verantwortung abzugeben. Dann kann sich jedes Unternehmen seine eigenen Fachkräfte formen.

 

 

Ist die Arbeitswelt von morgen also auch eine Generationenfrage?

 

TRISTAN HORX: Ich würde sagen Nein: das Generationendenken löst sich allmählich auf. Erfahrung gewinnt zunehmend an Bedeutung und stellt auch einen gewissen Wert dar. Das ist freilich der Tatsache zuzuschreiben, dass die physische Arbeit im Zuge der Technologisierung zunehmend an Bedeutung verliert. Körperliche Fitness ist heute kein ausschlaggebendes Kriterium mehr dafür, ob ein Job zufriedenstellend erledigt werden kann. Das Handwerk wird dadurch aber nicht aussterben. Vielmehr nimmt uns die Automatisierung die einfachen, repetitiven Arbeitsschritte ab. Zur Verfeinerung braucht es dann aber wieder den Menschen. Das Handwerk erfährt dadurch sozusagen eine Aufwertung zum Kunsthandwerk.

 

 

Inwiefern spielt der Begriff Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang eine Rolle?

 

TRISTAN HORX: Nachhaltigkeit bedeutet in meinen Augen und in Bezug auf die Arbeitswelt von morgen einmal ein nachhaltiges Wirtschaften, also eine allgemeine Beruhigung unseres aus den Fugen geratenen Finanzsystems, in dem Realität und Finanzmarkt längst nichts mehr miteinander gemein haben. Nachhaltigkeit steht aber auch für einen schonenden Umgang mit unseren Ressourcen – die zunehmenden Klimakatastrophen sind letztlich (von all den verheerenden Auswirkungen auf Mensch und Natur einmal abgesehen) richtig teuer für die Gesellschaft. Da kann jedes einzelne Unternehmen seinen Beitrag leisten. Es freut mich in diesem Zusammenhang zu beobachten, dass nachhaltig konzipierte Studiengänge einen enormen Zulauf erfahren – Rettung ist also möglicherweise in Sicht.

 

 

Wo werden wir also in Zukunft wohnen, wo arbeiten und wie kommen wir zum Arbeitsplatz?

 

TRISTAN HORX: Im Gegensatz zur Schweiz und Deutschland, die einen Urbanisierungsgrad von knapp 85 % bzw. 78 % aufweisen, beträgt dieser in Österreich nur knapp 59 %. Während vor dem Shutdown noch 34 % der Befragten in Wien wohnen wollten, waren es danach nur noch 25 % . 32 % der 16- bis 34-Jährigen würden bei dauerhafter Homeoffice-Möglichkeit wiederum die Möglichkeit in Betracht ziehen, den Wohnort zu wechseln. Warum all die Zahlen? Wir beobachten das Phänomen der sogenannten Landflucht seit einiger Zeit. Corona hat dieses Streben nach mehr Wohnqualität dank Ruhe, Naturnähe, einem gesunden Wohnumfeld und erschwinglichen Mieten wie ein Brennglas noch verstärkt. Im besten Fall lässt sich auf diese Weise Zersiedelung und Leerstand auf dem Land so entgegenwirken. Dörfer könnten zu richtigen Kreativ-Hubs werden, ausgestattet mit HyperSpeed WLAN, eigenen Co-Working-Spaces, hippen Cafés und selbstverwalteten Kultureinrichtungen. Dies funktioniert wiederum nur in Abhängigkeit vom jeweiligen Siedlungsraum – man vergleiche das Inntal und Osttirol! Das wirkt sich auch auf unsere Mobilität aus. Während im urbanen Umfeld öffentliche Verkehrsmittel, Fahrrad-Trassen oder e-Mobilität und Car-Sharing gang und gäbe sind, können für den ländlichen Raum Homeoffice und Remote Arbeitsplätze die ökologischere Lösung darstellen. Die Arbeitswelt der Zukunft wird – und muss – also eindeutig eine weit individuellere sein, als wir sie heute kennen.

Der Junior-Futurist Tristan Horx steht für die Sichtweise der jungen Trend- und Zukunftsforschung. Seine Themen kreisen um die Generationenfrage (X/Y/Z, Millennials), New Work, Individualisierung, Lebensstile und Megatrends.

Im Rahmen des 1998 gegründeten, renommierten Zukunftsinstituts geht der Kulturanthropologe und Dozent für Trendforschung an der SRH Hochschule Heidelberg der Frage auf den Grund, welche Trends unsere Gegenwart prägen und welche Rückschlüsse sich daraus für die Zukunft von Gesellschaft und Wirtschaft ziehen lassen. Im Interview zeichnet er als Vertreter der sogenannten Millennials einen Ausblick, wie nachkommende Generationen aus seiner Sicht arbeiten werden.

 

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